Fuhrpark
Nöll M5
Im Sommer 1995 habe ich mein Heavy Tools nach nur zwei Jahren verkauft, weil ich endlich ein renntaugliches Mountainbike fahren wollte. Zu dieser Zeit träumten wir alle von einem GT Zaskar, Klein Attitude, Rocky Mountain Vertex oder wie sie alle hießen. Auch aus Deutschland kamen einige hochwertige MTB-Rahmen. Ich wollte etwas Besonderes haben und habe mir ein starres Nöll M5 zugelegt.
Den roten Rahmen in der passenden Größe entdeckte ich in einem kleinen Radsportgeschäft in Clausthal-Zellerfeld und er verdrehte mir sofort den Kopf. Ich musste dann fast ein ganzes Semester meines Studiums schwänzen, um mir das Geld dafür und für die Anbauteile zu erarbeiten. Heraus kam ein erstklassiges Racebike im Stil der frühen 90er Jahre.
Vom Racebike ...
Das Nöll M5 ist ein extrem agiles Mountainbike, insbesondere mit Starrgabel und dem damit verbundenen sehr kurzen Radstand. Die Wendigkeit liegt fast schon auf Rennrad-Niveau. Der Rahmen ist, wie jedes Nöll, muffenlos gelötet. Es handelt sich bei den Rohren meines Wissens nicht um einen Rohrsatz, sondern um Einzelrohre von Mannesmann. Die Preise für die Rahmen lagen natürlich auf entsprechendem Niveau.
Ich erinnere mich noch daran, wie ich zusammen mit meinem Freund Carsten, der zeitgleich einen Klein-Rahmen angeschafft hatte, stundenlang bei ihm auf der Veranda saß und wir zusammen unsere Räder aufgebaut und optimiert haben. Als alles fertig war, sind wir zu einer gemeinsamen Radreise nach Schottland aufgebrochen. Danach haben wir zusammen die Dresdner Heide unsicher gemacht. Nach meiner Rückkehr an die Uni lernte das Bike jeden Winkel des Oberharzes kennen.
Dort hatte ich meine 15 Minuten, als ich zusammen mit Carsten die Hobbyklasse des Harz-Cups gewann; er auf seinem Klein, ich auf meinem Nöll. Eine wunderbare Zeit! Noch heute fühle ich mich wieder wie 23, wenn ich mich auf mein M5 setze.
Ursprünglich hatte ich mein erstes Nöll mit wenigen teuren und vielen billigen Komponenten aufgebaut. Später habe ich dann alles, was kaputt ging, durch etwas Hochwertiges ersetzt. Inzwischen ist kein einziges Original-Anbauteil mehr übrig, und selbst der Rahmen ist nur noch zur Hälfte im ursprünglichen Zustand, denn Ober-, Unter- und Steuerrohr mussten nach einem Bruch ersetzt werden. Bei einem Sturz hatte sich die Spitze eines Felsblocks ins Oberrohr gebohrt. Das hielt dann zwar noch zwei Jahre, brach aber dann ausgerechnet Ende 1999, als ich mit dem Rad in den USA war.
Der Rahmen geht nun schon auf die 30 zu. Er hat viel mitgemacht, inzwischen hat er den vierten Lack bekommen. Das Erscheinungsbild des Rades hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt und sein Einsatzzweck auch. Aber ich muss schon sagen, dass ich sehr an ihm hänge. Vermutlich bette ich ihn irgendwann an einer Garagen- oder Treppenhauswand zur letzten Ruhe.
Leider habe ich kaum Bilder und auch keine genauen Erinnerungen mehr an die wechselnden Komponenten während der langen Nutzungsdauer. Irgendwann hatte ich sogar mal eine Campagnolo-Record-O.R.-Schaltung montiert, mit Daumenschalthebeln und angepassten Abstandsscheiben in der Shimano-Kassette. Ich weiß gar nicht, was daraus geworden ist, schade. Erst in der Smartphone-Zeit ab den späten Nuller Jahren habe ich dann immer mal ein Foto gemacht.
... zum Reiserad
Der Rahmen lässt sich nicht mit einer Federgabel ausstatten, deshalb habe ich mich 2008 dazu entschlossen, ein neues Mountainbike als Hardtail aufzubauen. Seitdem verwende ich mein altes Nöll als Reiserad, auch wenn dieser Einsatzbereich bei der Wendigkeit des M5 suboptimal ist.
Achim Nöll war Anfang der Neunziger Jahre fast wo etwas wie ein Guru der Stahlrahmenszene. Gerüchteweise fanden ihn manche Kunden etwas sperrig, aber das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Sagen wir mal so: Er ist eine angemessen starke Persönlichkeit, so wie die meisten anderen Rahmenbauer auch.
Mittlerweile ist er in Rente gegangen und hat seine Fahrradmanufaktur geschlossen. Trotzdem ist es mir 2021 noch einmal gelungen, den Meister für einen Umbau zu gewinnen. Die Idee mit der weißen Farbe war seinerzeit nicht so weise, nach ein paar Jahren im Nordschwarzwald sah das M5 schon arg lediert aus.
Bei dieser letzten Gelegenheit für eine neue Pulverbeschichtung ließ ich mir auch gleich noch Anbauteile für Gepäckträger und Schutzbleche einsetzen. Und da meine Campagnolo-Cantilever inzwischen wirklich reif fürs Museum sind, ließ ich den Rahmen auch noch für die Montage von V-Brakes umrüsten. Damit ist das vermutlich älteste im Einsatz befindliche M5 der Welt wieder fast wie neu.
Aktuelle Komponenten
Bauteil | Spezifikation |
Rahmen | Nöll M5 |
Gabel | Surly Troll |
Steuersatz | Acros AH-34 |
Vorbau | Syntace Force 99 |
Lenker | Salsa Moto Ace Flat |
Hörnchen | Scott RC Stix Bar Ends |
Sattelstütze | Control Tech One |
Sattel | Selle Italia Flite Classic |
Innenlager | Shimano BB-MT800 |
Kurbeln | Shimano XTR FC-M970, 44-32-22 |
Pedale | Shimano XTR PD-M970 |
Kassette | Shimano Ultegra CS-6500, 12-27 |
Kette | Shimano HG93 |
Schaltwerk | Shimano Ultegra RD-6500 |
Umwerfer | Shimano Deore XT FD-M750 |
Schalthebel | Shimano Deore XT SL-M750 |
Bremsen | Shimano Deore XT BR-T780 |
Bremshebel | Shimano Deore XT BL-T780-B |
Nabe vorn | DT Swiss 240 MTB |
Nabe hinten | DT Swiss 350 MTB |
Speichen | DT Swiss Revolution |
Felgen | DT Swiss XR 4.1 ceramic |
Reifen | Schwalbe Marathon Mondial Evolution |
Schläuche | Schwalbe 12A |
Schnellspanner | Tune AC 16/17 |