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Eigentlich war ich ja mit meinem ungefederten Mountainbike glücklich. Richtig rasante Abfahrten im Gelände waren damit zwar nicht möglich, aber ich habe da lange nicht wirklich etwas vermisst. Ab 2008 bis zu meinem Abschied aus Karlsruhe war ich Mitglied im hiesigen Mountainbike Club. Und spätestens dann musste ich mir ein neues Rad aufbauen, um halbwegs mitfahren zu können.

Das beste Racebike der Welt

Nach einem Fehlversuch bei der Konkurrenz habe ich mich für ein maßgeschneidertes Nöll M5 Space entschieden. Handgefertig aus 34CrMo4-Stahl, muffenlos gelötet, die technologische Spitze des Stahlrahmenbaus. Mehr Stabilität bei gerade noch akzeptablem Rahmengewicht kann man für Geld wahrscheinlich nicht bekommen.

Das Nöll M5 Space im Frühjahr 2010. Hier noch mit Hörnchen und schmalem Lenker. Später habe ich mich in der Beziehung ein klein wenig modernisiert. Alles andere bleibt an diesem Rad aber klassisch und geistig eher im vergangenen Jahrhundert.

Das Nöll M5 Space im Frühjahr 2010.

Zugegeben: Man muss schon genau wissen, was man tut, wenn man sich heutzutage ein Stahl-Hardtail zulegt, noch dazu als Maßrahmen. Ich würde das niemandem empfehlen, der unbedarft auf der Suche nach einem Mountainbike ist. Jetzt, nachdem Achim Nöll in Rente gegangen ist und nach eher zweifelhaften Erfahrungen bei anderen Stahlrahmenherstellern würde ich es vielleicht auch nicht noch mal machen. Aber damals war es genau die richtige Entscheidung und ich habe sie nicht bereut. Höchst exklusiv ist das MTB auf jeden Fall, wobei selbst Kenner gewöhnlich erst auf den zweiten Blick sehen, was für ein Kleinod sich da hinter der Allerweltsoptik versteckt.

Die Fahreigenschaften dieses Rades sind phänomenal. So lange auf dem Trail nicht zu große Felsbrocken oder Treppenstufen im Weg sind, macht das Fahren mit diesem Rad mehr Spaß als mit jedem anderen Cross-Country-Hardtail. Die Wendigkeit, der steife, aber halbwegs komfortable Rahmen, die direkte Lenkung, die perfekt ausgewogene Geometrie, das schlägt einfach alles. Das Rad ist natürlich kein Abfahrtswunder, dafür aber eine Bergziege.

Nach einer der ersten Testfahrten Anfang 2009. Ursprünglich hatte ich noch einen klassischen, schmalen Lenker und sogar Hörnchen montiert.
Unterwegs im Winter 2010. Kurz nach dieser Aufnahme kam es durch die niedrigen Temperaturen zum Ölverlust an der vorderen XTR-Bremse. Sie war vom Hersteller Shimano falsch zusammengesetzt worden.
Ordentlich eingesaut im Frühjahr 2021 im neuen Heimatrevier rund um Renningen. Jetzt mit etwas breiterem Lenker ohne Hörnchen.
Noch ein Winterbild, diesmal nach dem Neuaufbau 2023. Seit ich hauptsächlich mit meinem Liteville-Fully fahre, verwende ich das M5 Space eigentlich nur noch in der kalten Jahreszeit.

Unterwegs mit dem Nöll M5 Space

Weil ich das Rad nun fast nur noch im Winter einsetze, habe ich recht grobstollige Reifen aufgezogen (Schwalbe Hans Dampf). Das ist toll bei Schnee und Matsch, nimmt dem Bike aber leider etwas von seiner Spritzigkeit. Für den Sommer habe ich zwar irgendwo noch einen Satz Rocket Ron herumliegen. Aber in den warmen Jahreszeiten fahre ich ja doch eher Fully oder Rennrad. Na ja, und um mal ganz ehrlich zu sein: Der Lenker ist doch etwas schmal für heutige Geschmäcker und der Federweg von 80 Millimetern ist auch nicht gerade State of the Art. Im Großen und Ganzen ist mein zweites Nöll also inzwischen auch eher ein Retro-Bike. Aber ich liebe es.

Stahlrahmen-Philosophie

Warum Stahl? Und wenn Stahl, warum dann nur muffenlos gelötet? Warum ein Maßrahmen? Und von welchem Hersteller? Diese Fragen habe ich mir alle mal gestellt, aber eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Stahlrahmenfans werden immer genau erklären können, warum es nur Stahl sein darf. Und zwei Drittel von denen werden genau wissen, warum Schweißen das Rohr zerstört, Löten aber die Festigkeit erhält und der Rahmen deshalb ewig lebt. Und dann wissen einige natürlich auch, dass der Rahmen keine Muffen haben darf, da sich das Silberlot sonst nicht so gut verteilen kann und so geht das immer weiter.

Da wird viel Unfug verbreitet, zum Beispiel der Gassenhauer mit dem "Weichtreten" oder dass Aluminiumrahmen grundsätzlich irgendwann brechen. Manches davon hat einen wahren Kern, aber im Wesentlichen sind die Unterschiede zwischen einzelnen Rahmenmodellen viel wichtiger als solches Schubladendenken.

Der Rahmen im Originaldesign. Leider gab es noch ein kleines Problem mit der Bremsaufnahme. Das gute Stück musste noch mal zurück, wurde entlackt, umgelötet und wieder neu lackiert. Beim zweiten Mal gab es dann einen ganz winzigen Lackfehler, auf den komme ich später noch zurück.
Damals habe ich sogar noch Laufräder selbst eingespeicht. Und alles andere musste natürlich auch noch in der richtigen Reihenfolge und fachmännisch montiert werden. Ein Riesenvergnügen!
Ein Blick auf die höchst ungewöhnliche Kabelführung und auf die Sattelklemme. Diesmal ist der M5 vorbereitet für Scheibenbremsen.
Auf einen Sattelschnellspanner habe ich wieder verzichtet, weil ich den ohnehin nicht brauche. An der Verbindungsstelle zwischen Ober- und Sitzrohr gab es später nach dem erneuten Lackieren ein Problem.
Beim M5 Space hat das Tretlager keine Muffe. Was genau jetzt eigentlich "Space Frame"-Technologie bedeutet, weiß ich aber nicht.
Das Verstärkungsblech trägt sicher dazu bei, dass so ein Rahmen fast ewig lebt.
Die Scheibenbremsaufnahme. Hier noch etwas zu nah an der Sitzstrebe, deshalb musste der Rahmen noch mal zurück zu Nöll.
 

Details und Komponenten

Irgendwann war ich auch mal der größte Stahlrahmenfan aller Zeiten, aber das hat sich wieder gelegt. Man wird älter und erfahrener. Ich fahre jetzt Stahl, Alu und Carbon und sehe das alles immer entspannter. Obwohl ... eine ultimative Wahrheit bleibt natürlich: Ein auf Maß mit dem Laserstrahl geschnittener, muffenlos gelöteter 34CrMo4-Rahmen von Achim Nöll ist so ziemlich das geilste, was man besitzen und fahren kann, Punkt.

Komponenten-Philosophie

Bei meinem alten, ungefederten Nöll M5 hatte ich nach etlichen Jahren ein ziemliches Durcheinander an Komponenten. Manche sind 22 Jahre alt, andere zwölf, einige nur zwei. Das wollte ich diesmal vermeiden und eigentlich immer versuchen, innerhalb der ursprünglichen Produktgeneration zu bleiben, also in diesem Fall bei der XTR M97x.

Das klappt schon nicht mehr ganz so gut, weil es ein paar Verschleißteile jetzt schon nicht mehr gibt, konkret Ritzelpaket, Kettenblätter und Innenlager. Es ärgert mich ein bisschen, dass ich da nicht früher vorgesorgt habe. Die Federgabel werde ich wohl auch nicht mehr warten können, jedenfalls nicht direkt von Magura, denn die haben die Gabel-Produktion leider eingestellt. Na ja, und auch ansonsten bricht hoffentlich nichts durch oder ab.

Ein kleines Verschleißteil-Sortiment habe ich mir mal noch ins Regal gelegt. Es besteht aus Schaltzügen, Bremsleitungen, Bremsbelägen, ein paar 9-fach-Ketten, einem XT-Ritzelpaket und kürzlich habe ich sogar noch ein Original-Innenlager und drei XTR-Kettenblätter auftreiben können. Die sind zwar nicht nagelneu, aber noch fast neuwertig.

Mein Komponentenverschleiß hat ja stark nachgelassen, seit ich nicht mehr so viel damit fahre. Ich werde die nächsten Saisons bestimmt überleben. Wenn ich in fünf oder zehn Jahren nichts mehr tauschen kann, dann kommt das Rad eben ins Museum und ich kaufe mir mal wieder ein neues Hardtail, auch wenn es dann kein Nöll mehr sein wird.

Modellpflege

Anfang Mai 2022 ist der Rahmen von seinem letzten Besuch beim Hersteller zurückgekehrt. Eigentlich sollte nur der Lack erneuert werden. Es hat sich aber dabei herausgestellt, dass das Oberrohr am hinteren Ende stark korrodiert war.

Nach 13 Jahren Gebrauch sieht der Rahmen etwas traurig aus. Es gab so manchen Felskontakt und der braune Fleck hinten am Oberrohr entpuppt sich nach dem Entlacken als Einfallstor für Korrosion. Deshalb bekomme ich nun auch noch ein neues Oberrohr.
Auf den ersten Blick fast wie neu: Nach der Wartung im Mai 2022.
Der neue Lack verhindert natürlich nicht, dass sich die zahlreichen Dellen und Kerben gut erahnen lassen.
Im Januar 2023 habe ich endlich die alten Komponenten alle wieder verbaut. Dank der neuen Pulverbeschichtung sieht das Rad trotzdem fast wie neu aus.
Das hier ist das alte Oberrohr, das mir Achim Nöll als Erinnerung überlassen hat: 34CrMo4.
 
 
 

Neues Pulver auf alten Rohren.

Ich bin ein bisschen selbst Schuld daran. Als der Rahmen neu war, also 2008, gab es ein Problem mit der Scheibenbremsaufnahme. Sie war falsch angelötet, vermutlich für einen kleineren Scheibendurchmesser. Das Rad musste noch mal zurück zu Nöll, wurde entlackt, umgelötet und wieder neu pulverbeschichtet. Ein winziger Lackfehler war beim zweiten Mal durch die Qualitätssicherung gerutscht. Es war nur ein ganz kleiner Fleck am Oberrohr. Ich hatte einfach keine Nervern mehr, den Rahmen ein zweites Mal zurückgehen zu lassen; ich wollt endlich damit fahren. Also habe ich es so gelassen, wie es war.

Tja, Pech gehabt. Nach dem Entlacken konnte man die Misere bestaunen. Nöll hat mir jedenfalls ein neues Oberrohr eingezogen und neues Pulver aufgebracht. Jetzt dauert es hoffentlich wieder mindestens 14 Jahre, bis etwas kaputt geht.

Aktuelle Komponenten

Bauteil Spezifikation
Rahmen Nöll M5 Space Maßrahmen, Baujahr 2008
Gabel Magura Durin 80
Steuersatz Chris King NoThreadset
Vorbau Syntace F109, 109 mm
Lenker Syntace Duraflite Carbon Flat
Sattelstütze Syntace P6 Carbon
Sattel Selle Italia Flite
Innenlager Shimano XTR SM-BB90
Kurbeln Shimano XTR FC-M970, 175 mm, 44-32-22
Pedale Shimano PD-M970
Kassette Shimano XTR CS-M970, 12-34
Kette Shimano Dura-Ace CN-7701
Schaltwerk Shimano XTR RD-M972, GS
Umwerfer Shimano XTR FD-M970
Schalthebel Shimano XTR SL-M970-A
Bremsen Shimano XTR BR-M975
Bremsscheiben Shimano XTR SM-RT97M, 180/160 mm
Bremshebel Shimano XTR BL-M975
Nabe vorn DT Swiss 240
Nabe hinten DT Swiss XR 350
Speichen DT Swiss Supercomp 2,0/1,7/1,8
Felge vorn DT Swiss XR 4.2
Felge hinten DT Swiss XR 350
Reifen Schwalbe Hans Dampf Evolution
Schläuche Schwalbe SV 14
Schnellspanner DT Swiss RWS Titan

Änderungen und Reparaturen

  • 09/2011: Neue Reifen
  • 09/2011: Neuer, breiterer Lenker und Wegfall der Hörnchen.
  • 01/2011: Neue Frontbremse (auf Garantie) nachdem sich ein Montagefehler gezeigt hat, der zu Druckverlust führte.
  • 02/2012: Neue Felge hinten (DT XR 350) nach Durchschlag.
  • 04/2012: Neue Reifen. Ich habe nach einem Sturz wegen eines offensichtlichen Verarbeitungsfehlers keine Lust mehr auf Schwalbe. Ich versuche es jetzt mal mit Continental.
  • 05/2014: Zahlreiche Verschleißteile ersetzt (Kette, Kassette, zwei Kettenblätter, Bremsschuhe und Reifen). Nun fahre ich doch wieder Schwalbe, diesmal den Rocket Ron, den ich als Kulanz für meinen Sturz bekommen habe.
  • 01/2021: Neue Reifen, diesmal Schwalbe Hans Dampf für bessere Schlamm- und Schneetauglichkeit.
  • 03/2022: Neuer Lack als letzte Chance beim inzwischen pensionierten Hersteller. Dabei bekommt der Rahmen ein neues Oberrohr wegen eines Korrsionsschadens.